Umbau. Ein Orientierungsversuch
Burkhard Meltzer

Katalogtext UMBAU/MODIFICATION, Neue Kunsthalle St Gallen, 2007

[...]In der skulpturalen und zugleich installativen Erzählung entwirft Andrea Winkler gleichsam ein eigenes Orientierungssystem für die Wahrnehmung des Ausstellungsraumes. Mögliche Schwerpunkte der Aufmerksamkeit legt die Künstlerlin mit Hilfe von Objekten aus Papier, Folie und verschiedenen Baumaterialien. Man könnte bei ihrer Arbeitsweise auch von einem Abtasten sprechen, dem Aufspüren der architektonischen Eigenheiten und die Kennzeichnung ihrer spezifischen Bedingungen. Mit ihrer Montagetechnik erinnern die Arbeiten an Assemblagen, da die oftmals flachen Materialien wie Stoffe und Folien auf den ebenen Wandoberflächen und dem Boden eine plastische Form andeuten. An einer Ziegelwand herab fällt eine bichrome Silber-Goldfolie auf den Boden, um dort – nicht vollständig abgerollt – liegen zu bleiben. Geradezu unfertig wirkt dieser Abschluss der silbernen Fläche – eine Geste, die uns auch bei anderen Arbeiten der Installation begegnet. Es wäre prinzipiell denkbar, dass schon morgen wieder Material von der Rolle abgenommen wird und den Raum wieder verändert. Die Mauerstruktur wird durch diesen Eingriff einerseits betont, zum anderen verschwindet die pittoreske Wand unter dem glänzenden Vorhang. Ein Stapel aus Kalksandstein mitten im Raum konfrontiert den Betrachter mit dem ursprünglichen Baumaterial. Allerdings bildet der Ziegelhaufen keineswegs eine Mauer im Raum, sondern kann allenfalls als deren Andeutung gelten. An der Säule inmitten des Raumes lehnt noch lässig eine malerisch bearbeitete Papierrolle, als wäre die Arbeit hier gänzlich zum Vorschlag geworden. Eine Möglichkeit, die ebenfalls nur angekündigt, jedoch nicht ausgenutzt wird. Die einzelnen Elemente aus Dekorations- und Baumaterialien scheinen überhaupt die Rhetorik der Ankündigung perfekt zu beherrschen. Was könnte sich etwa noch hinter einem verdeckten architektonischen Element oder einer bestimmten Zuordnung der Materialien verbergen? Es sind die Protagonisten einer potenziellen Erzählung, die Andrea Winkler auf Wand, Boden und im Raum platziert. Ausgangspunkt könnte die ausgerissene Fotografie sein, die wie eine Notiz an die Säule geheftet ist und ein Fenster sowie mehrere Personen zeigt, deren Gesichter allerdings im Schatten verborgen bleiben. Die Künstlerin lotet sowohl die erzählerischen Qualitäten einer architekturspezifischen Arbeit als auch das theatrale Potential des »White Cube« bis an die Grenzen des lesbaren aus.

 
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